Umgang mit Angst angesichts des Ukraine Krieges, des Terrorangriffs der Hamas und der Situation in Gaza

 

Zunächst: Angst zu haben ist etwas ganz Natürliches. Angst kennen sowohl Menschen, als auch Tiere überall auf der Welt. Angst ist ein so genanntes Grundgefühl, eine Emotion. In dem Wort Emotion steckt Motion, also Bewegung. Alle unsere Emotionen haben eine seelische sowie eine körperliche Komponente. Und die körperliche Komponente von Angst hat die Funktion, uns darauf vorzubereiten zu fliehen und, wenn Flucht nicht möglich ist, zu kämpfen. Bei Angst wird der Körper also auf Aktivität vorbereitet. Erst wenn wir weder fliehen noch kämpfen können, führt die Angst zu einer Erstarrung. Daher empfehle ich Ihnen, dem Körper, der sich auf Aktivität vorbereitet hat, die Möglichkeit zu geben, sich wieder zu beruhigen. Indem Sie sich bewegen, also den hochgefahrenen Zustand beantworten und in Aktivität umsetzen, helfen Sie ihrem Körper, wieder runterzufahren, und Ihrer Seele, sich zu beruhigen. Gerade in dieser Zeit ist es besonders wichtig, sportliche Aktivitäten nicht zu vernachlässigen. Grundsätzlich wird mindestens zweimal pro Woche mindestens eine halbe Stunde Sport empfohlen. Wenn Sie bei sich bemerken, dass sie derzeit fast ständig alarmiert sind, sollten Sie aktuell ein noch größeres Augenmerk auf körperliche Bewegung richten.
Wenn Sie kaum noch an etwas anderes denken können, als an den Ukraine Krieg, die Situation in Israel oder Gaza, rate ich Ihnen dringend an, sich nur einmal täglich seriös zu informieren. Empfohlen wird längstens eine halbe Stunde pro Tag. Im Versuch, die Situation zu kontrollieren und aus den Ohnmachtsgefühlen herauszukommen, versuchen manche, die Kontrolle über ständige Informationsaufnahme zurückzugewinnen. Das führt jedoch eher zu einem Teufelskreis und verstärkt Gefühle von Hilflosigkeit und Ohnmacht. Das Schöne an unserem Gehirn ist, dass es sich verändert, solange wir leben. Wir können aktiv steuern, in welche Richtung sich unser Gehirn verändert. Das heißt, wir können unsere Denkgewohnheiten umtrainieren. Wenn Sie sich dabei ertappen, dass Sie sind mit innerlich ablaufenden Horrorszenarien beschäftigen, können Sie sich sofort aktiv stoppen, sich umschauen und den Boden unter den Füßen wahrnehmen. Jetzt gerade befinden Sie sich in Sicherheit.

 

Sehr hilfreich ist auch zu schauen, in welchem Bereich Sie etwas tun können, so dass Sie Ihre Wirkmächtigkeit wahrnehmen können. Vielleicht ist das eine Geldspende oder auch Kleidung für die von Ihren Nachbarn aufgenommenen Geflohenen oder die Teilnahme an einer Friedensdemonstration.
Es hilft auch, die Ängste einordnen zu können. Als Traumatherapeutin kenne ich mich gut damit aus, welche Folgen traumatische Erlebnisse mit sich bringen können. Vielleicht haben Sie selbst bereits einen Krieg erlebt, beispielsweise als Kind den Zweiten Weltkrieg, vielleicht den Krieg im ehemaligen Jugoslawien oder auch Krieg außerhalb Europas, so wie die Kriege in Syrien oder Afghanistan. In meiner therapeutischen Arbeit sowie in meinen Büchern befasse ich mich damit, dass nicht nur selbst erlittene, sondern auch traumatische Erlebnisse der Eltern oder Großeltern
für die eigene Verletzbarkeit Folgen haben können. Die Nachrichten und Bilder von Flucht, Zerstörung, Terror, Tod und Verwundung können Bilder an zurückliegende seelische Wunden durch eigene oder familiäre traumatische Erlebnisse an die Oberfläche bringen. Ich führe das aus, damit Sie sich selber besser verstehen können. Sich selber besser zu verstehen, kann nämlich ebenfalls zur Beruhigung beitragen. Vielleicht sind Sie darüber verwundert, wie tief erschüttert und geängstigt Sie von der aktuellen Situation sind. Dies kann durchaus seine Wurzeln in der eigenen Biografie haben oder auch in belastenden Erlebnissen Ihrer Eltern oder Großeltern.
In so einem Fall ist es besonders wichtig, mit sich selbst liebevoll umzugehen, sich Auszeiten, Ruhe und schöne Momente zu erlauben. Das kann ein Spaziergang in der Natur sein, das Spiel mit einem Kind oder auch einem Tier, Treffen mit Freunden oder ein kultureller Genuss. Wichtig ist, dass Sie sich bei dem, was Sie tun, jeweils mit dem Hier und Jetzt verbinden. Dafür kann beispielsweise hilfreich sein, sich zu vergegenwärtigen, was Sie gerade sehen, was Sie gerade hören und was Sie in genau diesem Moment spüren. Das kann dann beispielsweise sein: ich sehe mein lachendes Kind, ich höre jetzt eben dieses Lachen, ich spüre die Sonne in meinem Gesicht. Sie können aus dieser Wahrnehmungsübung auch ein Spiel mit ihrem Gegenüber machen, indem Sie abwechselnd Dinge benennen, die Sie jetzt gerade sehen, hören, spüren. Auf diese Art und Weise können Sie beide gemeinsam auftanken und die Erfahrung machen, wir sind nicht allein und jetzt gerade ist es gut. Denn das Hier und Jetzt ist sicher, selbst wenn die Vergangenheit belastend war und die Zukunft ungewiss ist.

Unter folgendem Link können Sie sich Videos (unter anderem eins von mir) ansehen, die in Folge des Ukraine Kriegs entstanden sind: howtodealwithfear.org.